Auf unserer letzten Session war von Corona noch kein Thema – die Gefahr durch das Virus war für uns alle eine sehr abstrakte. Und dann ging alles sehr schnell, die Session im Februar sollte die vorerst letzte bleiben. Musiker (und Gastronomen) stecken mittendrin in einer entbehrungsreichen Zeit, wirtschaftlich wie künstlerisch. Aber irgendwann wird es auch in Friedberg wieder weiter gehen mit unserem Jour-fixe im Pastis. Bis dahin müssen ein paar Notizen aus dem Lockdown bzw. aus der Quarantäne als Lebenszeichen eben reichen:
Wer schon auf unseren Jazz Jam Session war, kennt ihn vermutlich: unseren geschätzten Session-Stammgast Mika Mai (10 Jahre alt), der aufgrund der Schulpflicht am nächsten Morgen immer als erster Gast die Session-Bühne betritt und zumeist am Klavier, aber auch mal am Schlagzeug oder an der Melodika begeistert. Weil er zur Risikogruppe gehört, haben sich er und seine Familie schon seit Mitte März in freiwillige Quarantäne begeben und veröffentlichen täglich Videos zu verschiedenen Themen wie Chuck-Norris-Witze oder Koch- und Bastelanleitungen. Und er stellt unterhaltsam und zugleich lehrreich Jazzstandards vor: Summertime, Watermelon Man. How high the Moon.
By the way: Zu den unserer Meinung nach legendärsten Aufnahmen von How High the Moon gehört der Mitschnitt eines Konzerts von Ella Fitzgerald. Begleitet von dem Paul Smith Quartett (Paul Smith – Piano, Jim Hall – Guitar, Wilfred Middlebrooks – Double Bass, Gus Johnson – Drums) legt Ella nach Vorstellung des Themas Chorus um Chorus immer noch eine Schippe drauf. Glänzend aufgelegt, technisch perfekt wie immer, scheint Ella in ihrem Scatgesang vor Ideen nur so zu sprühen und die Band vor sich herzutreiben.
Die Aufnahme entstand 1960 in (West-)Berlin, und zu den Gästen, die man dort applaudieren hört, gehörte auch der damals gerade volljährig gewordene Jazzenthusiast Eugen Hahn aus (Ost-)Berlin. Von dem „Lockdown“ in Gestalt der Berliner Mauer ahnte man 1960 noch nichts, und Konzertbesuche über die Sektorengrenze waren möglich. Eugen ist seit den spätem 1980ern Wirt des Frankfurter Jazzkellers, und auf der Jazzkeller Session-Bühne ist auch Mika gerne zu Gast … womit sich wieder ein Kreis schließt.
Drei der Musiker unserer Opener-Band sind als Musiklehrer an der Musikschule Friedberg tätig. Für sie hieß es in den zurückliegenden Wochen: Unterricht per Video (via Skype, Zoom, Whatsup). Eine für Schüler, Eltern und Lehrer durchaus neue Erfahrung, die aber überraschend gut funktionierte und sicher über Corona hinaus als Option beibehalten wird. Seit 4. Mai lassen die gesetzlichen Bestimmungen auch wieder Präsenzunterricht in der Musikschule zu, wobei natürlich auch hier Hygieneregeln zu beachten sind. Eine Alternative dazu ist der Präsenzunterricht unter freiem Himmel, der sich vor allem für kleine Gruppen anbietet. Das frühsommerliche Wetter lädt geradezu dazu ein, den Musikunterricht ins Freie zu verlege, und Wissenschaftler bestätigen, dass das Ansteckungsrisiko im Freien signifikant niedriger ist als in Räumen, da sich die Aerosole schneller verflüchtigen.
Für unsere Session im gemütlich-kompakten Pastis-Keller ist das allerdings keine Alternative – sie muss bis auf Weiteres ausfallen. Auch wenn, und das lässt bessere Zeiten in greifbare Nähe rücken, Nounou das Pastis vor ein paar Tagen wieder geöffnet hat.